Ein Gespräch mit Professora Oncinha
Hallo Oncinha, schön dich zu sehen! Erzähl mal, wie du zur Capoeira gekommen bist.
Ja, sehr gern. Ich habe Capoeira das erste Mal 2003 in Brasilien gesehen als Touristenshow. Direkt nach meiner Heimkehr habe ich mir dann hier eine Gruppe gesucht und angefangen zu trainieren. Damals dachte ich, wenn ich nur einigermaßen das Niveau erreichen könnte, das ich auf dieser Show gesehen hatte, das wäre wirklich das Höchste für mich, der absolute Wahnsinn.
Ich habe also 2003 mit Capoeira angefangen und seitdem nie wieder aufgehört. Auch wenn mein Weg alles andere als gradlinig war. Ich habe in Wiesbaden trainiert, dann in Hamburg und schließlich von Würzburg aus bereits in Frankfurt. Mein Nomadentum endete dann mit meinem endgültigen Umzug im Jahr 2010.
Und seit wann unterrichtest du selbst Capoeira?
Nach meinem Umzug nach Frankfurt habe ich sofort angefangen, Cigano im Training zu unterstützen. Das hat damals einfach gut gepasst. Ich habe dann einmal wöchentlich das Training gegeben oder zu anderen Zeiten Vertretungstraining gemacht. Das lief dann einige Jahre ganz gut.
Nach 6 oder sieben Jahren habe ich angefangen, mir eine eigene Gruppe aufzubauen. Zusätzlich habe ich Workshops auch in anderen Kontexten gegeben. Zum Beispiel bei Taek Won Do Gruppen, bei Kampfsportgruppen für Frauen, für Firmen... Ich hatte außerdem mal eine Zeit lang auch ein soziales Projekt in Offenbach.
Machst du zusätzlich noch andere Sportarten?
Ich habe durch meine komplette Capoeira-Laufbahn hindurch auch immer mal nebenher was anderes gemacht. Bin mal einen Halbmarathon gelaufen oder habe einen Triathlon absolviert. Ich habe immer nebenher für mich trainiert, im weitesten Sinne „Fitness“. Seit zwei Jahren gehe ich außerdem ins Movement Training, um an einigen körperlichen Baustellen zu arbeiten. Das zielt für mich ganz stark auf den Bereich Stärkung und Mobilität der Gelenke. Ohne Gewichte, aber trotzdem total effektiv. Macht total Spaß! Und es macht auch total Spaß, nach vielen Jahren unterrichten wieder einmal Schülerin zu sein. Einfach hinkommen, aufnehmen was der Lehrer sagt, die Klappe halten und einfach mitmachen. Und ich gebe mir da wirklich Mühe, eine gute Schülerin zu sein! Weil ich das aus der Trainerinnenperspektive kenne: Wie cool das ist, wenn Leute kommen, die gute Schüler:innen sein wollen.
Was machst du im „richtigen Leben“, also wenn du gerade keinen Sport machst?
Ich bin Senior Online Projektmanagerin in einem Fachverlag und kümmere mich da um Digitalprodukte. Und nebenher bin ich auch noch ein bisschen Mama (lacht). Ich arbeite nicht ganz Vollzeit, sondern „nur“ 30 Stunden die Woche, da passt das dann gut zusammen mit dem Unterrichten und der Care-Arbeit.
Du bist mit deiner Gruppe im Herbst umgezogen. Erzähl doch mal ein bisschen von deiner neuen Capoeira-Heimat!
Ja, sehr gern! Im Dezember haben wir eine tolle neue Trainingslocation bezogen in der Sportschule Dome in Bockenheim. Das ist ein klassisches Budo für japanische Kampfkunst. Dort gibt es viel Judo, aber auch andere Kampfsportarten. Die Sportschule Dome gibt es schon ziemlich lange, hat also eine lange Tradition in Frankfurt. Sie hat zwei schöne Dojos, also Trainingsräume, die mit Judomatten ausgelegt sind. Die Location liegt in Bockenheim und ist daher ziemlich gut angebunden.
Ich finde besonders auch die Atmosphäre dort gut. Das Dojo strahlt einen gewissen Respekt vor der Kampfkunst aus. Es hängen Bilder von deren Senseis an der Wand. Das erinnert ein bisschen an klassische Capoeira Academias – dort hat man auch die Berimbaus an der Wand hängen und häufig Bilder der wichtigen Mestres. Der Umgang mit dem Training in den asiatischen Kampfsportarten strahlt für mich besondere Wertschätzung aus. Dieses „Jetzt ist Training; ich lasse meinen anderen Kram und die Sorgen draußen; meine schmutzigen Schuhe sowieso, und dann bin ich hier- im Jetzt - und höre, was der Trainer oder die Trainerin sagt und versuche, das aufzunehmen.“ Das gefällt mir total gut. Die Menschen dort haben unserer Gruppe ein neues Zuhause gegeben und freuen sich vor allem auch darüber, dass wir jetzt da sind.
Was bist du für eine Capoeirista?
Puh, gute Frage (lacht). Das hat sich natürlich über die Jahre auch verändert! Aber wenn ich mich jetzt charakterisieren soll, dann würde ich sagen, dass ich immer auf
der Suche nach guten „Jogos“ (Spielen) bin, mit viel Interaktion. Ich setze gerne Floreiros (Akrobatiken) ein und spiele schon auch gern ein schnelles Spiel mit schnellen Kicks, das darf dann auch mal etwas „schärfer“ und knapper sein! Außerdem macht mir die Capoeira Musk große Freunde. Ob singen oder die Capoeira Instrumente, ich finds toll eine Roda mit meinem Gesang anzuheizen. Daher ist Musik auch Thema in meinem Unterricht.
Als Lehrerin ist es mir wichtig, einerseits in unserer Tradition der Grupo Capoeira Brasil zu unterrichten, also das weiterzugeben, was mein Mestre mich gelehrt hat. Andererseits baue ich auch viele funktionale Elemente ein, die auf Mobility und Kraft abzielen. Übungen für Hüfte, Schultern, Gelenke insgesamt. Ich habe festgestellt, dass es diese Elemente sind, die den Unterschied machen und den Schüler:innen letzten Endes die Türen öffnen zu komplexen Bewegungen.
Ende April findet das erste Capoeira-Festival statt, dass du selbst organisierst. Was erwartet die Teilnehmenden?
Nach zwei Jahren ohne viel Möglichkeit zum Austausch hoffe ich natürlich auf geballte Rhein-Main-Power! Dass wir alle endlich wieder zusammenkommen können und gemeinsam das tun, was wir lieben. Das Festival ist ein Angebot an alle Capoeiristas aus dem Rhein-Main-Gebiet, inklusive unserer tollen Capoeira-Kinder-Gruppen. Vielleicht kommt noch der eine oder andere „Special Guest“ von außerhalb dazu, um das Event ein wenig zu „würzen“ – lasst Euch überraschen!
Es wird Workshops geben. Teilweise kann man diese auch selbst auswählen. Das finde ich bei Festivals immer besonders reizvoll – wenn man selbst eigene Schwerpunkte setzen kann. Und natürlich machen wir Rodas und es werden auch neue Cordas vergeben.
Hier ist der Link, über den man weitere Infos (genauer Ablauf, Adresse, Zeiten ec.) bekommt und sich anmelden kann.
Liebe Oncinha, vielen Dank für dieses Gespräch. Wir sehen uns spätestens Ende April!
Weiterführende Links
Wer sich für Oncinhas Training interessiert – hier sind ihre Trainingszeiten
Übrigens: Oncinha pflegt auch einen schönen Instagram-Kanal. Hier könnt Ihr sie mal besuchen.
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