Afrika
Zahlreiche Lieder beschäftigen sich mit der Verschleppung afrikanischer Sklaven aus ihrer Heimat, weshalb wir dort häufig die Namen afrikanischer Orte finden. Die Identifikation mit Afrika ist sogar so stark, dass man nicht nur über diese Sehnsuchtsorte singt, sondern sogar Capoeira-Stile und -Toques nach ihnen benannt hat. Der in diesem Kontext bekannteste Begriff ist natürlich Angola. So kann die Verwendung des Begriffs „Angola“ in einem Lied sowohl auf die Stilrichtung, als auch auf das Land in Afrika verweisen:
Ninguem sabe o sofrimento Keiner kennt das Leid
Ninguem sabe a minha dor keiner kennt meinen Schmerz
Olha o negro de Angola schau der Schwarze aus Angola
O lutou e se libertou der kämpfte und sich befreit hat
Tim tim tim Tim tim tim
La vai viola so spielt die Viola
Jogo bonito Ein schönes Spiel
E jogo de Angola ist das Spiel des Angola
Auch Benguela ist nicht nur eine Toque bzw. Stilrichtung (eine Abwandlung Mestre Camisas der von Mestre Bimba entwickelten Banguela mit „A“), sondern auch eine Stadt in West-Angola, die zur Kolonialzeit ein wichtiges Handelszentrum für den Sklavenhandel nach Brasilien war. Wenn uns „Benguela“ heute in Capoeira-Liedern begegnet, referenziert der Begriff jedoch in der Regel auf die Toque.
Eh no balanco da benguela Im Gleichgewicht der Benguela
Na garganta do meu Mestre In der Kehle meines Meisters
O jogo da capoeira quem aprendeu Das Capoeira-Spiel das ich lernte
Nao mais esquece voce me ensinou Doch nie vergesse ich dass du es mir beigebracht
hast
Selten findet man auch einmal eine Referenz auf die Stadt:
Vem gente de Cabinda Es kommen Menschen aus Cabinda
Benguela e Angola Benguela und Angola
Eles vinham acorrentados Sie kamen angekettet
Pra trabalhar nessas bandas um in diesen Gegenden zu arbeiten
Auch Luanda, die Hauptstadt Angolas war einmal ein wichtiger Umschlagplatz für afrikanische Sklaven. Aruanda ist die brasilianische Bezeichnung Luandas. Häufig bedeutet Aruanda im übertragenen Sinne nicht mehr zwingendermaßen diese konkrete Stadt, sondern allgemein auch einen Ort der Sehnsucht und Freiheit.
Vim no navio de Aruanda, Aruanda ê Ich kam mit dem Schiff aus Luanda
Vim no navio de Aruanda, Aruanda á Ich kam mit dem Schiff aus Luanda
Porque me trouxeram de Aruanda Warum brachten sie mich aus Luanda her
Pra que me trouxeram de Aruanda Wofür brachten sie mich aus Luanda her
Vim no navio de Aruanda, Aruanda ê Ich kam mit dem Schiff aus Luanda
Brasilien
Doch auch Orte in Brasilien wurden den Sklaven nach und nach zur Heimat. Ihre Herkunft ist bis heute ein wichtiger Teil der Identität brasilianischer Capoeiristas. So hören wir beispielsweise in Capoeira-Liedern häufig die Begriffe Paranà, Bahia (beides brasilianische Bundesstaaten, ersteres aber auch ein Fluss), Sao Salvador (die Hauptstadt Bahias) oder auch Ilha de Maré (und noch viele, viele weitere….)
Beispiel:
Salve Sao Salvador Salve Sao Salvador
Salve Ilha de Maré Salve Ilha de Maré
Salve o Mestre que me ensinou Salve dem Mestre der mich gelehrt hat
A mandinga de bater com pè Die Magie, mit dem Fuß zu schlagen
Ia iaaa io ioooo Ia iaaa io ioooo
Quando me Mestre so foi Als mein Mestre starb
Toda Bahia chorou hat ganz Bahia geweint
Ia iaaa io ioooo Ia iaaa io ioooo
Von ganz besonderer Bedeutung als Sehnsuchtsort ist zweifelsohne die Republik Palmares. Die von entflohenen Sklaven gegründete Siedlung (diese Siedlungen wurden „Quilombos“ genannt) ist Sinnbild des erfolgreichen Widerstandes gegen die Unterdrücker. Palmares wurde um 1600 gegründet und bestand während seiner Blütezeit aus zehn Dörfern mit etwa 30.000 Einwohnern. In über zwanzig Angriffsschlägen gelang es den Portugiesen (und Holländern) nicht, Palmares zu erobern. Erst 1694 wurde die Republik unter der Führung von Domingos Jorge Velho schließlich zerschlagen und die angeschlossenen Dörfer dem Erdboden gleichgemacht.
Zumbi Zumbi olha Zumbi Zumbi, Zumbi, schau Zumbi an
Zumbi Zumbi olha Zumbi Zumbi, Zumbi, schau Zumbi an
Palmares cresce sem parar Palmares wächst unaufhörlich
Palmares cresce sem parar Palmares wächst unaufhörlich
(Zu Zumbi kommen wir im nächsten Teil der Reihe)
Volksstämme
Brasilien ist heute ein „Melting Pot“ ehemals unterschiedlichster Ethnien.
Wohlkalkuliert von den weißen Herren nach dem Motto „Teile und Herrsche“ wurde in der Regel darauf geachtet, dass auf einer Plantage immer Sklaven unterschiedlicher Stammeszugehörigkeit eingesetzt wurden, beispielsweise Nago, Bantu oder Yoruba. Durch die Differenzen der Sklaven untereinander erhofften sich die Unterdrücker Schutz vor Aufständen.
Vários negros foram pro Brasil Verschiedene Schwarze kamen nach Brasilien
Bantos, nagôs e Yoruba Bantus, Nagos und Yoruba
Dentro de um navio negreiro Auf einem Sklavenschiff
Deixando suas lagrimas correr no mar. Und ließen ihre Tränen ins Meer fallen
Ein Mandingo war ein Angehöriger einer ebenfalls verschleppten arabischen Volksgruppe. Diese galten unter den Portugiesen als „rebellisch“ und „teuflisch“. Bis heute beschreibt Mandinga in der Capoeira die Eigenschaft, sich in der Roda aus ausweglosen Situationen zu befreien; es scheint fast, dass der Capoeirista „zaubert“ (Mandingeiro = Zauberer).
Capoeira e luta de mandingueiro Capoeira ist der Kampf des Zauberers
E luta de nego nagô Der Kampf des Schwarzen vom Stamm der Nago
Angola que jogou seu pastinha Angola wie es Pastinha spielte
Regional mestre Bimba criou Regional das Mestre Bimba erfand
Weitere Beiträge aus der Reihe „Capoeira-Lieder verstehen„ findet Ihr hier.
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